Veranstaltung: | BDKJ-Hauptversammlung 2025 |
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Antragsteller*in: | BDKJ-Bundesvorstand |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 26.03.2025, 12:35 |
A13: Generationengerechtigkeit als Kompass politischer Verantwortung
Antragstext
Junge Menschen sind Gegenwart und Zukunft unserer Demokratie. Doch ihre Stimmen,
Bedürfnisse und Perspektiven finden noch immer zu selten Berücksichtigung in
politischen Entscheidungen. Obwohl junge Menschen ein Drittel unserer
Bevölkerung ausmachen, werden ihre Anliegen in Politik und Gesellschaft
unzureichend berücksichtigt. Als BDKJ fordern wir die Bundesregierung auf,
Generationengerechtigkeit als politischen Kompass zu verankern – als
verbindliche Haltung und ressortübergreifende Leitlinie für verantwortungsvolles
politisches Handeln.
Generationengerechtigkeit ist mehr als eine Frage der Finanzen
Generationengerechtigkeit ist eine Frage der gesellschaftlichen Verantwortung
und der intergenerationellen Solidarität – nicht nur der Finanzen.
Generationengerechtigkeit darf nicht auf Debatten um Schuldenbremse oder
Rentenpolitik verkürzt werden. Sie ist keine rein fiskalische Kategorie, sondern
eine Frage der demokratischen Verantwortung. Sie betrifft Lebensrealitäten,
Teilhabechancen und Gestaltungsspielräume – heute und mit Blick auf eine
gerechte, nachhaltige Zukunft für alle Generationen. Dabei geht es auch um
globale Gerechtigkeit. Generationengerecht zu handeln bedeutet auch,
Verantwortung über Landesgrenzen hinweg zu übernehmen, etwa durch internationale
Klima- und Entwicklungspolitik, globale Bildungs- und Teilhabechancen. Es geht
unter anderem um Digitalisierung, soziale Gerechtigkeit, Mobilität, (mentale)
Gesundheit, Gleichstellung, Engagement und politische Mitbestimmung – also um
all jene Strukturen, die darüber entscheiden, wie Menschen in dieser
Gesellschaft aufwachsen, sich entfalten und ihr Leben gestalten können.
Eine Haltung, die junge Menschen als gleichwertige Bürger*innen anerkennt
Politik darf sich nicht länger primär an den Bedürfnissen und Sichtweisen
Erwachsener orientieren. Sie muss bestehende Machtstrukturen hinterfragen und
systematisch Räume der Mitgestaltung durch junge Menschen schaffen. Es braucht
eine Politik, die junge Menschen als vielfältige Individuen mit
unterschiedlichen Biografien, Interessen, Stärken, Bedürfnissen und
Lebensentwürfen ernst nimmt und dabei eine intersektionale Perspektive einnimmt.
Eine Politik, die sich löst von einem adultistischen Maßstab und junge Menschen
nicht nur als Kinder ihrer Eltern, sondern als gleichwertigen Teil der
Gesellschaft anerkennt: als Bürger*innen, die mit Rechten ausgestattet sind und
die einen Anspruch darauf haben, dass diese auch umgesetzt werden.[1]
Junge Menschen sind mehr als Schüler*innen und zukünftige Steuerzahler*innen.
Politik darf junge Menschen nicht nur auf ihre zukünftigen Rollen in Arbeitswelt
und Gesellschaft reduzieren. Sie sind mehr als Schüler*innen, Konsument*innen,
potentiell Erwerbstätige und zukünftige Steuerzahler*innen. Sie sind
Träger*innen von Visionen, Werten und Hoffnung, sie haben ein Recht auf Zeit,
Freiräume und persönliche Entfaltung. Politik muss Orte stärken, an denen junge
Menschen wachsen, scheitern und neu aufblühen können – ohne Leistungsdruck, mit
Lebensfreude. Sie muss daher außerschulische Erfahrungsräume der
Selbstwirksamkeit als zentralen Bestandteil des Aufwachsens anerkennen und
stärken.
Demokratie gehört allen – für eine Politik, die junge Menschen ernst nimmt &
empowert
Politik hat die Macht, die gesellschaftlichen Spielregeln zu gestalten – und
damit auch die Verantwortung, dies im Sinne aller Generationen zu tun. Wir
fordern, dass dies in einer Form geschieht, dass junge Menschen sich ernst
genommen, empowert, wirksam, sicher und wohlfühlen. Eine lebendige Demokratie
muss inklusiv, repräsentativ und zukunftsgerichtet sein. Sie wird ihrem Anspruch
nur dann gerecht, wenn sie Menschen jeden Alters einbezieht. Eine Politik, die
empowert, zeigt: Ihr seid wichtig. Eure Meinungen zählen. Eure Zukunft ist unser
Maßstab. Generationengerechtigkeit leitet sich unmittelbar ab aus den Rechten
auf Beteiligung, Bildung, Entfaltung und Schutz – wie sie im Grundgesetz und der
UN-Kinderrechtskonvention verankert sind.[1]
Generationengerechtigkeit ist Querschnittsaufgabe
Alle Themen betreffen junge Menschen – nicht nur die, auf denen ‚Jugend‘ steht.
Generationengerechtes Handeln heißt, Anliegen und Perspektiven junger Menschen
ressortübergreifend in allen politischen Entscheidungs- und Verwaltungsprozessen
zu berücksichtigen. Es braucht verbindliche Strukturen, ressortübergreifende
Prüfmechanismen und eine klare politische Haltung, damit
Generationengerechtigkeit zum Standard wird.
Demokratie lebt von Vertrauen – und das entsteht durch Beteiligung
Eine kinder- und jugendgerechte Politik stärkt das Vertrauen in Demokratie. Sie
ist der Schlüssel zu einer starken, solidarischen und widerstandsfähigen
Gesellschaft. Wer von klein auf erlebt, dass die eigene Stimme zählt, entwickelt
ein Gefühl der Zugehörigkeit und ist eher bereit, Verantwortung zu übernehmen.
Wenn junge Menschen erleben, dass ihre Meinung Gewicht hat, sie mitgestalten
dürfen und ihre Interessen gehört werden, entsteht eine starke demokratische
Kultur, in der sich auch junge Menschen als Teil des demokratischen Prozesses
begreifen können. Dies fördert ihr politisches Interesse, stärkt das Vertrauen
in politische Strukturen und staatliche Institutionen.
Generationengerechtigkeit ist eine Chance – für die gesamte Gesellschaft
Eine kinder- und jugendgerechte Gesellschaft kommt allen zugute. Eine
Gesellschaft, die auch junge Menschen in den Blick nimmt, investiert nicht nur
in ihre Zukunft, sondern in das Gemeinwohl. Sie fördert sozialen Zusammenhalt,
Resilienz, nachhaltige Entwicklung und sie zahlt sich wirtschaftlich aus, weil
sie langfristig soziale Folgekosten senkt und Innovationskraft stärkt.
Generationengerechtigkeit stärkt die Demokratie – weil sie Verantwortung teilt.
Maßgeblich ist, dass die Wünsche und Anliegen verschiedener Generationen nicht
gegeneinander ausgespielt werden, sondern für ein stärkeres Miteinander sorgen.
Es braucht soziale Sicherungssysteme, die ein gutes Auskommen und eine gute
Versorgung für die Älteren leisten, ohne die jungen Menschen zu überfordern. Es
braucht Orte auch jenseits der klassischen Familienbeziehungen, damit die
Generationen nicht weiter voneinander abrücken.
- Verankern Sie Generationengerechtigkeit als politische Leitlinie und
Haltung – in allen Ressorts, auf allen Ebenen. Dies beinhaltet:- Die gesetzliche Verankerung und verbindliche Durchführung des
Jugend-Checks als begleitendes Instrument zur Abschätzung der
Auswirkungen von Gesetzesvorhaben auf junge Menschen. Die Ergebnisse
fließen maßgeblich in den Gesetzgebungsprozess mit ein. - Die konsequente Umsetzung und fortlaufende Weiterentwicklung der
Jugendstrategie der Bundesregierung, eng verzahnt mit der EU-
Jugendstrategie. Akteur*innen der Jugend(verbands)arbeit und der
Jugendsozialarbeit werden in die Umsetzung der Maßnahmen
systematisch eingebunden.
- Die gesetzliche Verankerung und verbindliche Durchführung des
- Die Weiterentwicklung sozialer Sicherungssysteme zur wirksamen Bekämpfung
von (Jugend)Armut[2], orientiert an Bedarfen und Lebensrealitäten
unterschiedlicher Altersgruppen.
- Die Anerkennung verschiedener Formen von Arbeit und ihrer Auswirkungen auf
die Lebensrealitäten junger Menschen – mit dem Ziel einer geschlechter-
und generationengerechten Verteilung von Zeit[3], Ressourcen und Chancen.
- Den systematischen Einbezug von Jugendverbänden in die Beratung der
Bundesregierung – in Anerkennung ihres Wirkens als Werkstätten der
Demokratie - und somit als wichtige selbstorganisierte,
zivilgesellschaftliche demokratische Lernorte - und ihrem Auftrag, die
Anliegen und Interessen junger Menschen nach § 12 Abs. 2 SGB VIII zu
vertreten.
Jetzt ist die Zeit, konstruierte Generationengrenzen zu überwinden und gemeinsam
eine Politik zu schaffen, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt über
Altersgrenzen hinweg stärkt und zukunftsfähig macht. Lassen Sie uns gemeinsam
Verantwortung übernehmen – als Politiker*innen, als Wähler*innen, als
Christ*innen, als Gesellschaft.
[1] S. hierzu u. a.: UN-Kinderrechtskonvention: https://headless-
live.unicef.de/caas/v1/media/194402/data/77afdd9d17e246129b04e8aef70a01ab sowie
Artikel 2 Absatz 1 GG: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner
Persönlichkeit […]“; Artikel 3 Absatz 1 GG: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz
gleich.“; § 1 Absatz 1 SGB VIII: „Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung
seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer selbstbestimmten,
eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“.
[2] Monitor Jugendarmut der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische
Jugendsozialarbeit (BAG KJS): https://www.bagkjs.de/monitor-jugendarmut/.
[3] BDKJ-Beschluss (2024): Zeitgerechtigkeit - Wir fordern gerechte
Zeitgestaltungsmöglichkeiten:
https://www.bdkj.de/fileadmin/bdkj/Dokumente/Beschluesse/4/4.48_Zeitgerechtigkei-
t.pdf.
Begründung
Erfolgt mündlich.